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Ukraine  Eine Reise durch die Ukraine in 113 Gedichten  Ukraine

Schweigen, Leere, Schweigen

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Da sitzt er nun. Sitzt er immer noch. Da sitzt er nun noch immer. Und er schreibt, er schreibt - noch immer, wie er da so sitzt und ganz allein. Was schreibt er da, er weiß doch nichts. Weiß nichts. Nichts mehr, noch nie gewußt. Es sind Worte. Traurige Worte, die er schreibt. Und er sitzt immer noch da. Die Zunge haben wir ihm herausgerissen, nun schreibt er Tag und Nacht. Er hat nichts zu sagen, nichts zu schreiben. Tag und Nacht schreibt er. Trotz allem. Er schreibt. Und er sitzt da ganz allein. Er und seine stummen Worte. Er weiß nichts. Sein Kopf ist leer und er schreibt. Tag und Nacht. Hin und wieder fliessen ihm die Tränen übers Gesicht. Er wischt sie unter die Worte, mischt sie mit seinem Blut. Seinem Blut. Er schreibt sein Leben mit seinem Blut, mit seinen Tränen. So sitzt er da. Er schweigt. Ganz still. Schreibt Worte, die er nicht kennt, Sätze ohne Sinn. Sein Vermächtnis. Er schreibt sein Vermächtnis. Und sitzt da ganz allein. Sein Blick ist starr. Er starrt ins Nichts, starrt in sein Leben und starr auch bald er. Das schreibt er auf. Jetzt gleich. Sein Körper wippt sanft. Nach vorn, nach hinten, nach vorn, nach hinten. So wippt er. Und er schreibt. Alles Worte, alles Leere, alles Schlechte. Er kennt keinen Schlaf, schläft nie, wird nicht müde. Wippt vor und zurück auf seinem Stuhl. So sitzt er da. Er schweigt. Ganz still. Schreibt Worte, wertlose Worte, wortlose Werte. Wortloses Schweigen. Das schreibt er mit Blut und Tränen, schreibt er, bis das Universum wieder ist, was es war: eins.

© 2000 by Arne-Wigand Baganz

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