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Ukraine  Eine Reise durch die Ukraine in 113 Gedichten  Ukraine

der wolfsmensch

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es sind die woelfe, die heulen. sie heulen mit ihm in die tiefste nacht. und noch die schafe auf einer fernen weide schrecken durch dies geheul aus ihrem festen schlafe auf. es hat sie wie ein blitz getroffen - so schnell und heftig, dass sie vor existenzangst leise zittern. alles lauscht jetzt. und infiziert von furcht schauen ihre augen hastig in die dunkelheit. ueberall raschelt ploetzlich das gras. die toedliche gefahr - von woher droht sie?

aber es geschieht nichts. nichts weiter. die woelfe verstummen oder ziehen fort. und mit ihnen auch er. doch wer ist er? ich kann es dir nicht sagen. nicht jetzt.

die schafe versinken wieder in ihrem schlaf. einige fangen sofort an zu traeumen, sehen sich selbst auf einer brennenden weide laufend, laufend, nur noch laufend um ihr armes, kleines leben. aber ueberall ist das feuer. das gras brennt lichterloh und hoch in den himmel schlagen die flammen. aus dem himmel herab schauen der mond und die wolken. sie lachen zusammen und winken zu den sternen, damit auch sie hinabblicken auf dieses trostlose stueck erde. dieses brennende stueck erde und auf ihr die schafe, wie sie laufen, laufen, laufen um ihr armes, kleines leben.

so ist der traum, den sie traeumen - alle zusammen. oder vielleicht ist ihr traum auch die wirklichkeit und die wirklichkeit ihr traum. und ein schaf nach dem anderen faengt feuer. sie laufen umher, sie laufen umher wie lebende fackeln. die wolle verkohlt, das fleisch versengt, sie stinken und schreien zum himmel hinauf. im himmel der mond, die wolken, die sterne - sie lachen, sie lachen zur erde hinab.

und dann springt hervor der erste wolf, ganz wild und sein maul geoeffnet - so schnappt er nach der kehle eines schlafenden schafes und dessen traum ist ganz schnell verflogen, das feuer verschwunden und ein anderes durchzieht seine nervenbahnen und adern - es ist der letzte schmerz, bevor das leben geht. und noch ein verzweifelt herausgepresstes bloeken - dann ploetzlich ist die herde wach und sieht sich umzingelt von den woelfen. wo kamen sie her aus dieser dunklen nacht, waren sie nicht laengst verstummt, verschwunden?

und da ist er wieder. ein, zwei huegel aus der ferne schaut er seinen woelfischen freunden zu, wie sie die herde reissen. und da wuenscht er sich heimlich, er waere einer von ihnen.

© 2003 by Arne-Wigand Baganz

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