Auslöschung ist die Geschichte eines Zerfalls, die dem Leser durch Thomas
Bernhard aus den Augen des Protagonisten Franz-Josef Murau erzählt wird.
Murau erfährt durch ein Telegramm seiner Schwestern, dass seine Eltern und
sein Bruder tödlich verunglückt sind, wie sich wenig später herausstellt,
bei einem Autounfall. Dieses Ereignis ist für Murau Anlass, sich in seinem
römischen Exil, wo er ein Geistesleben führt, mit seiner großbürgerlichen Herkunft aus dem österreichischem
Wolfsegg in größter Akribie auseinanderzusetzen und zwar in der Absicht,
diese für immer auszulöschen.
Murau betrachtet nach und nach alle Gegebenheiten und Personen, die ihm in
Hinblick auf seine Wolfsegger Herkunft in den Kopf kommen und dadurch
dieses Wolfsegg, wie er es kannte, ausmachten. Er nimmt dabei alles
auseinander, schleicht sich um die Ob- und Subjekte seiner Betrachtung, um
auf sie in den verschiedensten Perspektiven schauen zu können. Sprachlich
wird dies oft durch die Technik der fast endlosen Wiederholung gelöst, die
wie fortwährende Angriffe erscheinen und wirklich nichts als Trümmer
zurücklassen.
"Meine Eltern haben mich und haben meine Geschwister letzten Endes
anstatt zu erziehen, geradezu verunstaltet, in unseren Köpfen nur Unheil
angerichtet. Die Eltern, naturgemäß vor allem katholisch, hatte ich zu
Gambetti gesagt, haben mit diesen unheilvollen katholischen Mitteln unsere
Köpfe ruiniert. [...] Wir sind katholisch erzogen worden, hat geheißen, wir
sind von Grund auf zerstört worden, Gambetti. Der Katholizismus ist der
große Zerstörer der Kinderseele, der große Angsteinjager, der große
Charaktervernichter des Kindes. Das ist die Wahrheit. Millionen und
schließlich Milliarden verdanken der katholischen Kirche, daß sie von Grund
auf zerstört und ruiniert worden sind für die Welt, daß aus ihrer Natur
eine Unnatur gemacht worden ist."
Rom ist für Murau das Gegenbild zu Wolfsegg, aus dem er, so bald es ihm
möglich war, geflüchtet ist. Trotzdem ist er auf die monatlichen Zahlungen
aus seinem Elternhaus weiterhin angewiesen. In Rom führt er, wie bereits
gesagt, sein Geistesleben, in das ihn sein Onkel Georg eingeführt hat. Er
beschäftigt sich mit der Literatur und Philosophie, hat einen Schüler,
nämlich Gambetti, trifft sich mit der Poetin Maria, um ihre Gedichte zu
besprechen, während das Leben in Wolfsegg nur für geistige Starre und
moralische Verlogenheit steht. Die fünf großen Bibliotheken des Besitzes
sind verschlossen und für die dort lebenden Menschen nicht von Bedeutung,
sie kümmern sich lieber um die Mehrung ihrer Reichtümer durch
Landwirtschaft und Aktienhandel, veranstalten Jagden und widerwärtige Abendgesellschaften. Wolfsegg ist das Sinnbild des ungestraften
Opportunismus, seine Bewohner haben sich mit den jeweiligen Machthabern,
selbst, wenn es die Nazis waren, immer gut zu stellen gewusst. Muraus
Eltern haben den Nazis auch nach dem 2.Weltkrieg die Treue gehalten, haben
gesuchte Kriegsverbecher auf ihren Besitztümern untergebracht und sie so
vor ihrer gerechten Bestrafung geschützt.
Aulöschung ist eine große, eine schonungslose Abrechnung, die erzählt, was
erzählt werden muss.
"Mit der Erfindung der Fotografie, also mit dem Einsetzen dieses
Verdummungsprozesses vor weit über hundert Jahren, geht es mit dem
Geisteszustand der Weltbevölkerung fortwährend bergab. Die fotografischen
Bilder, habe ich zu Gambetti gesagt, haben diesen weltweiten
Verdummungsprozess in Gang gebracht und er hat diese tatsächlich für die
Menschheit tödliche Geschwindigkeit in dem Augenblick erreicht, in welchem
diese fotografischen Bilder beweglich geworden sind. Stumpfsinnig
betrachtet die Menschheit heute und seit Jahrzehnten nichts anderes mehr,
als diese tödlichen fotografischen Bilder und ist wie gelähmt davon. [...]
es wird gut sein, wenn wir uns noch gerade bevor dieser Verdummungsprozess
der Welt total eingetreten ist, umbringen."