Geschichte, in Erzählungen weitergegeben, kann, so Thomas Bernhard in
seinem autobiographischen Buch "Die Ursache. Eine Andeutung."
(1975), immer nur verfälschte Geschichte sein. Ein bekanntes Problem
jeglicher non-fiktionaler Literatur: "Wie man es erzählen kann, so ist
es nicht gewesen" (Christa Wolf). Und so hat auch der Leser der
Ursache nichts anderes zu erwarten als verfälschte Geschichte: Bernhards
Aufwachsen im nationalsozialistischen Salzburg: ideologischer Drill im
Internat, Bombenkrieg, Geigenspiel und Englischstunden. Salzburg als totale
Vernichtungsmaschine: die Menschennaturen stört, verstört und schließlich
zerstört - Selbstmordgedanken sind dem im Internat internierten Bernhard
ein ständiger Trost, doch fehlen ihm Kraft und Entschiedenheit, sie
Wirklichkeit werden zu lassen:
Zitat: Das Leben oder die Existenz abtöten, um es oder sie nicht mehr leben und existieren zu müssen, dieser plötzlichen vollkommenen Armseligkeit und Hilflosigkeit durch einen Sprung aus dem Fenster oder durch Erhängen beispielsweise in der Schuhkammer im Erdgeschoss ein Ende zu machen, erscheint ihm das einzig Richtige, aber er tut es nicht.
Die Heimat - eine Ursache, die man nicht von sich abtrennen kann, auch nach
20 Jahren in der Fremde nicht. Salzburg, von Bernhard als totes und
verlogenes Schönheitsmuseum entlarvt. Nach dem Krieg, den Verbrechen, den
Zerstörungen, den Toten, die es nie gegeben hat, werden die Lügenbilder ausgetauscht: Jesus ersetzt den Hitler, "Großer Gott, wir loben Dich" "Es zittern die
morschen Knochen", die Heilige Kommunion das gemeinschaftliche Anhören
der ersten Nachrichten aus dem Führerhauptquartier. Nicht mehr als ein
neuer Anstrich.
Die Geburt - eine Ursache:
Zitat: Es gibt überhaupt keine Eltern, es gibt nur Verbrecher als Erzeuger von neuen Menschen [...]
und
Zitat: [...] den Selbstmörder trifft keine Schuld, die Schuld trifft die Umwelt [...]
Durch * gekennzeichnete Streichungen im Buch, vom Landgericht Salzburg im
Jahre 1977 so festgelegt.
Thomas Bernhard. Für Freunde von Thomas Bernhard.