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Sturmes Pläne

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Als ich eines Tages durch die vom Eise befreiten Straßen spazierte, sah ich, dass sich in einer düsteren Ecke der Sturm zusammgekauert hatte. Vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken, trat ich an ihn heran und fragte, was er denn da täte. Ein wenig verschlafen blickte er in mein Gesicht, dachte einen Augenblick nach und befand, dass ich ihm eine Antwort wert sein könne:

"Ich harre der Zeit, da ich losbrechen werde und sammle meine Kräfte. Was sollte ich sonst tun? Ich bin doch der Sturm". Ich nickte zustimmend, dann fuhr er mit seiner Rede fort, als hätte er seine Pläne schon lange jemandem beichten wollen:

"Es wird eine Zeit kommen, da kein Stein auf dem anderen stehen bleibt. Ich weiß, diese Redewendung ist unter Euch Menschen schon sehr abgenutzt, aber was kümmert es mich, den Sturm? Alles, alles werde ich hinfortfegen. Zuerst werde ich sämtliche Fernsehtürme umlegen, werde gewaltig in Kaufhauskomplexe fahren, in Druckereien, Börsen, Banken, Arbeitsämter und Parteizentralen, dann bin ich das schmerzvolle Ende aller A-bis-Z-Spekulanten. Ganz Europa werde ich mit meinem unaufhaltbaren Atem überziehen, so gründlich verwüsten, wie es sich bis auf den heutigen Tag noch niemand erträumt hat. Ich sammle meine Kräfte, sammle meine Kräfte".

Wieder nickte ich, aber dieses Mal nicht zustimmend. Ich hatte einen wohldurchdachten Einwand geltend zu machen: Ob er denn nicht die braven Ökobauern auf dem Lande verschonen könne? Er schüttelte seinen Kopf, besann sich aber schnell eines besseren und sagte:

"Na gut".

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