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Ukraine  Eine Reise durch die Ukraine in 113 Gedichten  Ukraine

Inspiration > Federico García Lorca

Diwan des Tamarit


Vom dunklen Tod

Ich möchte schlafen den Schlaf der Äpfel,
fern dem Tumult der Friedhöfe.
Ich möchte schlafen den Schlaf des Kindes,
das sich auf offenem Meer das Herz aus der Brust reissen wollte.

Ich will nicht mehr hören, dass die Toten ihr Blut nicht verlieren;
dass der verweste Mund noch nach Wasser verlangt.
Ich will nichts von den Martern wissen, die das Gras bereitet,
noch von dem Mond mit dem Schlangenmaul,
der seine Arbeit tut, ehe es tagt.

Ich möchte ein Weilchen schlafen,
ein Weilchen, eine Minute, ein Jahrhundert;
doch alle sollen wissen, ich bin nicht gestorben;
da ist ein Stall voll Gold auf meinen Lippen;
ich bin der kleine Freund des Westwinds;
ich bin der riesige Schatten meiner Tränen.

[...]

 

Vom goldenen Mädchen

Das Mädchen, das goldene,
badete im Wasser
und das Wasser sich vergoldete.

Die Algen und die Zweige
tauchten es in Schatten,
und für das Mädchen weiß
sang die Nachtigall.

[...]

Kam der Morgen makellos
mit hundert Kuhgesichtern,
kam starr im Leichentuch
mit eisigen Girlanden.

Das Mädchen tränennaß
badete in Flammen
und mit versengten Flügeln
weinte die Nachtigall.

[...]


Von der Flucht

Oft schon bin ich im Meer versunken,
das Ohr voller frisch geschnittener Blumen,
die Zunge voller Liebe und Agonie.

Schon oft bin ich im Meer versunken,
wie ich versinke im Herzen mancher Kinder.

Keine Nacht, da ich beim Kuss
nicht das Lächeln der gesichtslosen Leute spüre,
und niemand, der ein Neugeborenes betastet,
vergisst die regungslosen Schädel toter Pferde.

[...]

Wie ich versinke im Herzen mancher Kinder,
bin ich schon oft im Meer versunken.
Des Wassers nicht achtend, such ich mir
einen Licht-Tod, der mich verbrennt.


Federico García Lorca

Anmerkung:

Da für die Übersetzung aus dem Spanischen von R.Wittkopf und L.Klünner, erschienen im Suhrkamp Verlag, noch für etliche Jahre ein Copyright besteht, erscheinen die Gedichte hier stark gekürzt, um den Zitatcharakter zu wahren.

Federico García Lorca (1936)