Ein Roman und seine drei Helden: Paduk, die unmenschliche Kröte und Krug,
der Philosophieprofessor, Nabokov, der Schriftsteller, welcher die beiden
erstgenannten Figuren auf seinem literarischen Schachbrett mit dem Namen
"Das Bastardzeichen" gegeneinander antreten lässt. Auf dem Feld
herrscht eine junge absurde Diktatur, der fiktive Ekwilismus bildet ihre
ideologische Basis, die Kröte ist ihr Führer, sie ordnet die Figuren auf
dem Brett, nimmt die störenden fort. Krug wird vor die Wahl gestellt: Er
kann sich an das neue System anpassen und seine alten Schriften
entsprechend "revidieren" oder man nimmt auch ihn vom Feld. Krug
bleibt standhaft, unterwirft sich nicht seinem einstigen von allen
gehänselten Schulkameraden Paduk. Die Moral siegt, auch wenn ihr Träger
ihretwegen auf das eigene Leben verzichten muss...
Bolschewismus, Faschismus - die totalitären Systeme des 20.Jahrhunderts
haben viele Namen. Ihre Gemeinsamkeiten werden von Nabokov aufgezeigt: die
geistige Gleichschaltung, die ideellen Menschenopfer. Ihnen entgegen stellt
Nabokov sein Buch. Es ist das Produkt einer weisen, künstlerischen und
damit positiven Diktatur, die sich selbst alle möglichen Freiheiten
zugesteht: Sprachakrobatik in den verschiedensten fremden Zungen, feine
Anspielungen, die sich oft erst durch das Vorwort oder die Anmerkungen
erschließen, absichtliche Verwirrspiele mit dem Leser, das Einbinden von
Themen, die scheinbar nichts mit dem Romanstoff an sich zu tun haben
(Hamlet).
Nabokov hätte sein Buch im Jahre 1948 gern im US-amerikanischen
Reedukationsprogramm für Deutschland eingesetzt gesehen, aber dafür ist es
sicherlich nicht geradlinig genug gewesen. Wer die Masse erreichen will,
muss ihre Sprache sprechen.
"Das Bastardzeichen" ist ein Denkmal für den unbeugbaren
Widerstand, das wir auch und gerade in unserer Zeit als Mahnung nehmen
sollten, denn die moderne allgewaltige Diktatur des Leistungsprinzips in
sämtlichen Bereichen des Lebens fordert tagtäglich unsinnige Menschenopfer,
kaum einer ist nicht zum opportunistischen, systemtragenden Gebückten
geworden: Alle gegen alle und jeder gegen jeden, die Hoffnung auf einen
persönlichen Vorteil gegenüber den Mitmenschen treibt uns an.