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Schönheit und Grauen

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Vor der Russischen Botschaft in Berlin, 05.03.2021

Betrachtungen über die Russische Botschaft in Berlin.

Das Gebäude der Russischen Botschaft in Berlin ist dieser Tage gut abgesichert:
Polizisten patrouillieren davor auf dem Gehweg, rot-weiß gestrichene Absperrgitter hindern unerwünschte Gäste daran, sich überhaupt zu nähern und ihre Ablehnung des russischen Völkermordes an den Ukrainern physisch zum Ausdruck zu bringen. In Deutschland herrscht Ordnung, und so wird kein LKW wie in Dublin das Tor zur Botschaft einfach einfahren und auch niemand wie in Warschau einen Haufen Kohle davor abladen; nicht einmal durch die Stäbe des hohen schwarzen Zaunes kann man aktuell spucken … Es wäre ohnehin nur ein hilfloser, symbolischer Akt, seine tiefste Abscheu gegenüber den russischen Kriegsverbrechen zum Ausdruck zu bringen.

Auf dem Mittelstreifen vor der Botschaft unter den Linden finden jetzt häufiger Demonstrationen statt, es gibt Ansprachen, Transparente werden in die Luft gehalten, blau-gelbe Fahnen wehen, Ukrainer singen ein nie endendes Klagelied, das einem die Tränen in die Augen treibt, wenn man ihm mit offenem Herzen zuhört. Das Geländer zur Botschaft hin ist behangen mit Anti-Kriegs-Plakaten, die zu uns in den verschiedensten Sprachen sprechen, auf dem Gehweg ist eine Art Memorial aus Kerzen und Plakaten angelegt, daneben befindet sich ein Haufen sinnbildhaft ermordeter Kuscheltiere … Passierende Touristen registrieren überrascht, an was für einen Ort sie gekommen sind, können es aber dann offenbar doch einordnen, machen von den Geschehnissen vor der Botschaft schnell ein Foto oder ein kurzes Video, um es möglicherweise mit ihren Kontakten zu teilen.

Die Fenster der Russischen Botschaft sind, wann immer ich davor stehe, abgedeckt, blind. Nie hat sich, wenn ich diesen Ort aufsuchte, auch nur ein einziges kleines Zeichen menschlichen Lebens hinter diesen Fenstern gezeigt. So also darf man sich Russland vorstellen?! Sieht das Personal in der Botschaft denn, was vor den Toren vorgeht, hört es, wie die Ukrainer singen, weiß es, was Russland dieser Tage in der Ukraine anrichtet? Sicherlich, wie könnte es dies nicht wissen. Die ganze Welt weiss, was die russische Gegenzivilisation in der Ukraine treibt.

Im Vorhof der Russischen Botschaft steht eine sogenannte Puschkin-Linde, in einem der Hinterhöfe, so behauptet es zumindest ein Online-Kartendienst, zudem noch eine Lenin-/Putin-Linde, zu der es sogar Rezensionen gibt: “Dieser Baum erinnert zurecht an einen großen Revolutionär!” meint der eine, “Ein interessanter und schöner Baum” der andere, Aktivisten haben aber auch Bilder des von Russen am 17.02. bombardierten Kindergartens in Stanyzia-Luhanska dazu hochgeladen.

Man sieht auch hier: Schönheit und Grauen liegen, wenn es um Russland geht, dicht beieinander …

Veröffentlicht am 10.03.2022

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