"Wer wusste je das Leben?" ist eine Auswahl an Gedichten von
August von Platen (1796-1835), die von Rüdiger Görner getroffen worden ist.
Um beurteilen zu können, inwiefern man diese Auswahl an sich für gelungen
halten kann, müsste man einen Überblick über Platens Gesamtwerk haben, über
welchen ich allerdings nicht verfüge. So bleibt mir nichts anderes übrig,
als dem Herausgeber zu vertrauen, dessen Ziel es laut dem Vorwort gewesen
ist, die "lyrische Spreu" von Platens Werk, welche "den
Blick auf den vielgestaltigen Tiefsinn" verstellt, auszusparen.
Rüdiger Görner hat die Gedichte nach Form und Inhalt gegliedert, so finden
sich im Buch unter anderem Kapitel mit Liedern und Romanzen, Balladen,
bekennenden Sonetten, politischer Lyrik sowie Idyllen und Hymnen, wobei
gleich angefügt werden kann, dass Platens Interesse an der
Auseinandersetzung mit politischen Themen gering war, viel lieber
beschäftigte er sich mit der Ästhetik und Schönheit und auch der
unerfüllten bzw. unerfüllbaren, also idealistischen Liebe.
Aufgrund des Charakters der Auswahl wurde auf eine chronologische Anordnung
verzichtet, meist aber dennoch die Jahreszahl der Entstehung unter die
Werke gesetzt, um dem Leser ihre Einordnung zu erleichtern.
Was gibt es nun zu den Gedichten selbst zu sagen? Zuerst fällt ihre
stilistische Bandbreite ins Auge, denn Platen hat sich nicht damit begnügt,
nach der einen Form des Ausdrucks zu suchen, sondern hat sich, wie man auch schon der oben
angeführten Unterteilung des Buches entnehmen kann, auf vielen Gebieten
verewigt. Eine besondere Stellung nehmen die Ghaselen ein, die zum Großteil
dem 1821 erschienen "Der Spiegel der Hafis" entnommen worden
sind. Exemplarisch seien hier angeführt: Die Sterne scheinen, und alles ist gut sowie Entsprungen ist, entsprungen ist. Gerade bei den Ghaselen wird deutlich, dass es bei Platen zuweilen ein
Missverhältnis von Form und Inhalt gibt. Der Dichter erscheint als
Konstrukteur von allerlei feinen Formen, denen er oft keinen rechten Inhalt
zu geben weiß, aber auch wenn das ein nicht geringer Kritikpunkt ist, so
gibt es doch zahlreiche Gedichte, die einen als Leser darüber hinwegsehen
lassen.
Am überzeugendsten ist Platen immer dann, wenn er von dem schreibt, was ihn
im tiefsten Innersten berührt hat, also in den wahrhaft inspirierten
Momenten geschrieben worden ist wie bei seinem Venedigaufenthalt oder wenn
er einmal mehr die Schönheit angeschaut mit Augen.